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Vermessung als drittgrößte Kirchenburg Deutschlands

Der Besucher der historischen Wehrkirche in Hannberg ist in der Regel von der Größe und Schönheit der Wehranlage und ihrer Kirche Geburt Mariens begeistert. Der Kunstführer Schnell & Steiner schreibt über die Wehrkirche in Hannberg 2005: “Überregionale Bedeutung verleiht dem Ort seine eindrucksvolle Kirchenhofbefestigung, die tatsächlich zu den größten und besterhaltenen Kirchenburgen Deutschlands zählt“. Die Wehrkirche in Hannberg soll eine der größten ihrer Art nicht nur in Franken, nein in ganz Deutschland sein? Diese Aussage ist für einen Ortsansässigen in Hannberg schier unglaublich. Es stellt sich die Frage: Was könnte wohl die größte Wehrkirche Deutschlands sein? Und wieso gab es vor allem in Franken so viele Wehrkirchen?

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Warum gab es in Franken so viele Wehrkirchen?

Auch hier hilft der Kunstführer Schnell & Steiner. Der Grund, warum es ausgerechnet in Franken extrem viele Kirchenburgen und Wehrkirchen gibt, lag in den Unruhen des 15. Jahrhunderts. In den Jahren 1449/50 verwüstete der Erste Markgrafenkrieg weite Teile Frankens. Bei diesen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem Markgrafen Albrecht Achilles von Bayreuth und der Stadt Nürnberg wurden die Bauern und die Landbevölkerung sehr oft zum Opfer von willkürlichen Angriffen und Überfällen. Nur als Beispiel: Am 9. August 1449 stürmten die Nürnberger den „Kirchhoff zu Büchenbach“ und führten aus ihm 9 prall mit Getreide geladene Wagen samt erbeutetem Vieh und gefangenen Bauern heim. Als Konsequenz dieser Schutzlosigkeit begannen die Menschen auf dem Lande ihre Kirchen und Kapellen mit Mauern zu umziehen und einen sich einen befestigten Zufluchtsort zu bauen. 

Kirchenburg Ostheim an der Röhn

Auf meiner Suche nach den größten Kirchenburgen Deutschlands würde ich somit zuerst in Franken suchen. Bei der Durchsicht des Standardwerks über Wehrkirchen von Kolb „Wehrkirchen Kirchenburgen Franken“ wird neben Hannberg  stets auf die Wehrkirchen in Effeltrich, Kraftshof und Büchenbach verwiesen. Jedoch konnte ich keiner Darstellung der Wehrkirchen – weder Printform, noch online – eine Übersicht von Flächen der Wehrkirchen geben. Bei meiner Nachfrage in der Kirchenverwaltung in Hannberg nach der Gesamtfläche in Hannberg wurde ich auf den Kirchenführer verwiesen, der die Wehranlage als ein 50 x 70 Meter großes Areal beschreibt. Eine exaktere Ausmessung der Hannberger Wehrkirche würde Unsummen verschlingen, nicht zu sprechen von einer möglichen Ausmessung der größten Kirchenburgen Deutschlands.

Somit schien meine Suche nach den größten Kirchenburgen in Deutschland bereits am Ende.

Wehrkirche Hannberg

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Technische Flächenmessung im Intranet

Da eine reelle Flächenmessung der Wehrkirche zu aufwendig und zu teuer wäre, hatte ich mich verabschiedet von dem Wunsch einer 100%-genauen Messung. Sollte diese Messung so teuer sein, dann würde sie auch nicht von anderen Wissenschaftlern gemacht worden sein. Um zumindest eine grobe Übersicht der größten Kirchenburgen zu haben, würde doch bereits eine ca. 90%-Genauigkeit reichen?

Da man über Internetprogramme wie Google Map bereits heute sehr gute Satellitenbilder von vielen Orten einsehen kann, „zoomte“ ich auf meinem Computer auf die Wehrkirche in Hannberg. Eine Vermessungssoftware GeoMeasure kann Flächen mit 90% Genauigkeit berechnen, wenn man die Umrisse durch Punkte festlegt.

Am 8. Januar 2014 hatte ich die Fläche der nach Kolb und Wikipedia bedeutendsten und größten Kirchenburgen Deutschlands mittels der Vermessungssoftware GeoMeasure ermittelt. Hierbei wurden die Kirchen über die Online-Koordinaten in Google Earth identifiziert und dann die Umrisse mit gezielten Punkten bestimmt. Die Software GeoMeasure ermittelte die Fläche.

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Ergebnisse

Das Ergebnis ist beeindruckend: Die Wehrkirche in Hannberg hat ca. 3700 qm Fläche und ist nach Ostheim a.d. Rhön und Rohr (Thüringen) die  drittgrößte Kirchenburg Deutschlands. Hier

PlatzKirche (Ort)Fläche (ha)
1Ostheim v.d. Rhön (Unterfranken)0,559
2Rohr (Thüringen)0,421
3Hannberg (Mittelfranken)0,372
4Walldorf – Werra (Thüringen)0,257
5Kraftshof (Mittelfranken)0,252
6Effeltrich (Mittelfranken)0,228
7Kinding (Eichstätt)0,226

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Kurzdarstellung der sieben größten Kirchenburgen

Die größte Kirchenburg Deutschlands findet sich im unterfränkischen Ort Ostheim vor der Rhön im Landkreis Rhön-Grabfeld. Im Zentrum der Kirchenburg steht die Kirche St. Michael, umringt von einer zweireihigen Ringmauer aus der Zeit 1400 bis 1450. Die Kirchenburg hat eine maximale Ausdehnung von 75 x 75 Meter mit einem Zwinger und fünf Wehrtürme. Innerhalb der Befestigungsanlage befinden sich 66 Gewölbekeller mit 72 Gaden, die als Schutzbehausung bei kriegerischen Auseinandersetzungen dienten und in denen die Ortsbewohner in Krisenzeiten ihr Hab und Gut sicher aufbewahrten.

In der Gemeinde Rohr in Thüringen befindet sich die alte Wehrkirche Michaeliskirche. Sie hat ihre Ursprünge als Klosterkirche eines Benediktinerklosters zwischen 815 und 820. Die heutige Dorfkirche mit der Krypta ist der einzige in großen Teilen aus karolingischer Zeit erhaltene Monumentalbau im östlichen Deutschland.

Kirchenburg Rohr (Thüringen)

Die 4.-größte Kirchenburg Deutschlands befindet in der thüringischen Gemeinde Walldorf (Werra). Das Kirchengebäude „zu unserer lieben Frauen“ wurde in der heutigen äußeren Gestalt 1587 errichtet, 1634 bis auf das Mauerwerk zerstört, und im Zeitraum von 1648 bis 1651 neu hergerichtet. Die hohe steinerne Ringmauer, die die Kirche noch heute komplett umfriedet, besitzt 5 Rundtürme und hat eine Höhe von vier bis acht Metern. Die Stärke schwankt zwischen einem und 1,30 Meter.

In Kraftshof bei Nürnberg liegt die mittelalterliche Wehrkirche St. Georg (ehem. auch St. Maria und Heilig-Kreuz), welche vollständig von einer Mauer mit Wehrgang und Ecktürmen umgeben ist. Die Erbauung der ersten Kirche wird auf das Jahr 1305-15 zurück datiert. Höhepunkte sind der noch sehr gut erhaltene Wehrgang und die reiche Ausstattung der Kirche mit spätgotischen Altären und Marienfiguren.

Die Wehrkirche in Effeltrich liegt im oberfränkischen Landkreis Forchheim. Die Kirche St. Georg wurde im Jahr 1405 erbaut und bis 1497 erweitert. Sie wird von einer Wehrmauer umringt, die ursprünglich bis zu 8-9 Meter hoch war. Charakteristisch sind der Ostturm mit vier Stockwerken und 15-T-Schießscharten, ähnlich den Nordturm in Hannberg sowie der noch erhaltene Wehrgang. Besonders hervorzuheben ist die Reiterfigur des Heiligen Georg (um 1720) in einer Nische im Ziererker der Tor Seite.

Im oberbayerischen Landkreis Echstätt befindet sich der Wehrkirche Kinding Maria Geburt. Die noch vorhandene Wehranlage besteht aus Friedhof- und Kirchenring, drei Wehrtürmen, welche bereits ab 1357 erbaut sein sollen. Der Wehrgang ist nicht mehr vorhanden.

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Bilder der Vermessungen

Ostheim 0,559 ha
Rohr 0,421 ha
Hannberg 0,37 ha

Walldorf 0,257 ha
Kraftshof 0,252 ha
Kindling 0,226 ha

Resümee

Natürlich ist es dem Autor bewusst, dass das angewendete Verfahren nicht 100% genau sein kann. Doch gibt es aktuell keine bessere Übersicht der größten Kirchenburgen. Aufgrund der Ungenauigkeit des Verfahrens können sich zwar die Platzierungen von zwei Kirchen mit fast gleicher Fläche noch verändern, z.B. Walldorf und Kraftshof oder Effeltrich und Kindling. Da die Differenz der Fläche von Hannberg und Walldorf bzw. Rohr und Hannberg größer als 10% ist, kann der dritte Platz für Hannberg als bestätigt gelten.

Dass unsere Wehrkirche in Hannberg eine der größten und schönsten Deutschlands ist, war den meisten Bürgern des Seebachgrunds bewusst. Nun wissen wir, dass es die drittgrößte in Deutschland ist.

Dieser Beitrag stammt aus dem Januar 2015 und wurde im Rahmen der Veröffentlichung der Gemeinde Heßdorf zum Jubiläumsjahr 2015 publiziert.

Quellen

  • Karl Kolb „Wehrkirchen und Kirchenburgen in Franken“, 2. Auflage 1977, Echter Verlag Würzburg
  • Wikipedia „Kirchenburg Ostheim“, „Rohr“, „Kinding“, „Kraftshof“, „Effeltrich“, „Werra“
  • Kunstführer Schnell „Kirchenburg Geburt Mariens Hannberg“, Verlag Schnell & Steiner, 2005
  • Kunstführer Schnell „St. Georg Effeltrich“ Verlag Schnell & Steiner, 2008
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